Die von unserem Lab entwickelte Initiative im Rahmen des Universitätsjubiläums gliedert sich in insgesamt drei Teilprojekte, die einander jeweils thematisch ergänzen und flankieren.
Der erste Beitrag des Labs für das Jubiläum besteht in dem MailArt-Projekt Mail Woman to Go: Voraussichtlich um den Monatswechsel Oktober/November herum werden zufällig ausgewählte Bremer Haushalte Postkarten mit Portraits und Biographien berühmter sowie heutzutage weniger bekannter Frauen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts in ihren Briefkästen finden. Das Foto einer unbekannten Frau wird dabei jeweils von der Biographie einer in ihrer Zeit bekannten Bremerin begleitet. Die Auswahl der Personen, die Bildrecherche und das Verfassen der Biographien übernehman Studierende der Universität Bremen im Rahmen des im Sommersester 2021 von Dr. Urania Milevski geleiteten literaturwissenschaftlichen Seminars „Bremer Autorinnen“. Die Ergebnisse ihrer Recherche werden hier auf der Projektseite vorgestellt. Gestaltet werden die Karten von der Video-, Konzept- und Installationskünstlerin Mathilde ter Heijne (Universität der Künste Berlin). Das MailArt-Projekt ist eine an die Pandemie-Situation angepasste Fortsetzung ihres laufenden Installationsprojekts Woman* To Go, das sich in interaktiver Weise einer Geschichtsschreibung jenseits gängiger Modellierungen und populärer Wahrnehmungsmuster widmet.
In Kooperation mit dem CITY 46 – Kommunalkino Bremen e.V.
Die zweite Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Kommunalkino City 46 statt: Am 2. November um 20:00 zeigt das City 46 Peter Zadeks Ich bin ein Elefant, Madame. Der Film wurde bei der Berlinale 1969 mit dem silbernen Bären ausgezeichnet und avancierte schnell zum Kultfilm der 68er Bewegung: Schüler Rull probt, in Analogie zur studentischen Revolte, den Aufstand an einem Bremer Gymnasium. Mit Gewitztheit und Humor initiiert er eine Protestbewegung gegen die autoritären Gepflogenheiten an seiner Schule. Nach einer Einführung und historischen Einordnung durch Christine Rüffert, Rätin in der Verwaltung des Senators für Kultur Bremen und seit 2009 abgeordnet an die Universität Bremen für die Kooperationsstelle Film (FB 9), wird der Film in voller Länge gezeigt. Begleitet wird die Filmvorführung von einer kurzen Einführung durch Christine Rüffert, Rätin in der Verwaltung des Senators für Kultur Bremen und seit 2009 abgeordnet an die Universität Bremen für die Kooperationsstelle Film (FB 9), sowie einer spannenden Podiumsdiskussion mit Ernst Steinhoff, dessen Wohnung Zadek als Kulisse diente und der selbst als Komparse mitgewirkt hat, Jörg Streese, der damals als Schüler aus der Schule flog, die in dem angrenzenden Gebäude des Alten Gymnasiums untergebracht war, und am Drehbuch „mitschrieb“, und Prof. Dr. Irmbert Schenk, Mitgründer des Kommunalkinos 1974 und Hochschullehrer für den Bereich Kommunikation/Ästhetik an der Universität Bremen seit ihrem Beginn 1971.
Flankiert werden die genannten Events durch drei wissenschaftliche Vorträge, die sich jeweils mit Populärkultur Bremer Prägung bzw. mit internationaler Populärkultur befassen und einem breiten Publikum unmittelbaren Einblick in die Forschungen des Labs bieten sollen. Geplant sind zwei Vorträge Ende Oktober in Präsenz sowie ein Vortrag im November digital über Zoom:
Joaquín Orlando Valenzuela Celis wird in seinem Vortrag „Die Lust nach dem schönen Jungen“ die Topoi sexuelle Revolution, Homosexualität und diskursive Aporien aus einer filmästhetischen Perspektive untersuchen und mit der italienisch-kanadischen Produktion Call Me by Your Name (2017) einen Gegenstand der internationalen Populärkultur näher beleuchten. Der Vortrag ist als thematische Partnerveranstaltung zur Filmvorführung von Ich bin ein Elefant, Madame konzipiert und wird am 16. November um 18:30 digital per Zoom übertragen (Meeting ID 934 6035 6792; Passcode 044472).
Hauke Kuhlmann befasst sich in seinem Vortrag mit den vielleicht berühmtesten ‚Bremern‘ überhaupt: „Von wegen harmlos: Die Bremer Stadtmusikanten“. Dabei geht er der Frage nach, wie in diesem Märchen – einer der populärsten Gattungen schlechthin – die Harmlosigkeit des Geschehens nur eine vermeintliche ist und im Text aufgebrochen wird. Stattfinden wird der Vortrag am 26. Oktober um 19:00 im Bürger- und Sozialzentrum Huchting (bus).
Julia Brühne beschäftigt sich in ihrem thematisch als Partnerveranstaltung zum Vortrag von Hauke Kuhlmann konzipierten Beitrag „Grimm gone wild“ mit Märchen aus einer internationalen und intermedialen Perspektive: Anhand der französischen und amerikanischen Verfilmungen von Allerleirauh und Blaubart soll untersucht werden, wie gesellschaftskritische Tendenzen der Märchen für den Kontext des 20. Jahrhunderts jeweils reaktualisiert werden. Der Vortrag findet direkt im Anschluss an den von Hauke Kuhlmann statt, also am 26. Oktober um 19:30, ebenfalls im Bürger- und Sozialzentrum Huchting (bus).
Die Veranstalter*innen bilden seit Februar 2020 das WOC-Lab „Triviale Dissonanzen“. Das Lab forscht interdisziplinär zu unterschiedlichster Populärkultur aus diachroner und synchroner Perspektive. Zum Lab geht es hier
Als Beitrag zum Universitätsjubiläum 2021 trägt das aus dem Lab heraus entwickelte Transferprojekt POPULÄRES in/aus BREMEN wissenschaftliche Forschung zu Populärkultur Bremer Prägung sowie zu internationaler Popkultur in die Stadt. Ziel ist es, die Universität Bremen und insbesondere die hiesige geisteswissenschaftliche Forschung für ein breites, auch nicht-akademisches Publikum sichtbar und erlebbar zu machen.
Bei der Recherche für das Mailart-Projekt „Mail Women to Go“ haben sich die Studierenden ganz unterschiedlichen Bremerinnen gewidmet. Alle Frauen eint, zu ihrer Zeit populär gewesen zu sein: Ob erste Fußballclub-Sponsorin oder Verfasserin kämpferischer Schriften, alle haben weibliche Emanzipation gelebt und vorangebracht, wofür sie erinnert werden sollen.
Hier finden Sie zusätzlich zu den von Mathilde ter Heijne gestalteten Karten die von den Studierenden formulierten Kurzbiographien sowie Porträts dieser berühmten Bremerinnen.
LUCIE HENRIETTE FLECHTMANN/ FISCHFRAU LUCIE:
Lucie Henriette Flechtmann (née Hartig, *1850 †1920) hatte 17 Kinder, welche sie alleine versorgte. Ihren Unterhalt verdiente sie mit einem Fischverkaufsstand am Bremer Marktplatz, den sie mit großer Leidenschaft und Eifrigkeit betrieb. Darüber hinaus gilt sie als erste Sponsorin Deutschlands: Sie gründete den Fußballverein FC Stern Bremen und unterstützte ihn regelmäßig mit Geldspenden. Am Friedhof Buntentor wurde das beliebte Bremer Original von einer großen Trauergemeinde bestattet.
Text: Nico Bochinski, Bastian Krüger
LEONTINE WILHELMINE SCHWÖBMANN:
Leontine Wilhelmine Schwöbmann (née Pieper, *1854 †1928), war die Frau des korrupten Bankdirektors Heinrich Christian Schwöbmann und Mutter von sechs Kindern. Als ihr Mann nach finanziellem Bankrott Selbstmord beging, musste Leontine in den folgenden Jahren selbst untertauchen. Die Furcht vor Gläubigern sorgte dafür, dass sie schließlich 1880 zur See ging, wo sie als zweite Stewardess auf der Linie Bremen-New York harte Arbeit verrichtete.
Text: Christina Hegner, Jan-Lucas Richter
LOUISE ASTON
Louise Aston (née Hoche, *1814 †1871) wuchs in einer wohlhabenden Familie auf, die sie früh mit Samuel Aston verheiratete. Nach der Scheidung verschrieb sie sich als Autorin und Kämpferin des Vormärz der Emanzipation der Frau und übte starke Kirchenkritik aus. Zusammen mit ihrem zweiten Ehemann kam sie nach Bremen. Dort wurden sie 1855 aufgrund Astons kritischen Ansichten ausgewiesen. Besonders bekannt ist Meine Emancipation, worin sie die Freiheit und Gleichheit der Frau einfordert.
Text: Nina Boberg, Marie Estrup, Carolin Kuzniak, Malina Menzel und Irina Kruse
MARIE MINDERMANN
Marie Mindermann (*1808 †1882) war eine hochbegabte Bremer Autorin. Ihre Texte waren häufig gesellschaftskritisch oder erzählten auf Platt über Bremen. Wegen ihrer literarischen Veröffentlichungen, in denen sie zum Kampf für die Freiheit aufrief, musste sie für acht Tage ins Zuchthaus, da sie die Geldstrafe von 20 Talern nicht aufbringen konnte. Sie lebte bis zu ihrem Tod mit Caroline Lacroix in der Neustadt (Westerstr. 56). Ihr wurde die Marie-Mindermann-Straße im Stadtteil Kattenesch gewidmet.
Text: Nina Boberg, Marie Estrup, Carolin Kuzniak, Malina Menzel und Irina Kruse
EUGENIE ROSENBERGER
Eugenie Rosenberger (*1838 in Bad Kösen, †1931 in Bad Kösen) ist bekannt als Schriftstellerin, doch kam zu diesem Beruf kam auf Umwegen. Sie begann erst in ihren Fünfzigern zu schreiben und veröffentlichte bis ins hohe Alter. Sie begleitete ihren Ehemann, einen Kapitän, auf Schiffsreisen, die sie vor allem mit Zeichnen und Schreiben verbrachte. Ihre Reiseberichte wurden schließlich veröffentlicht. Rosenberger war eine gebildete Frau mit vielen Interessen wie Kunst und Naturwissenschaften.
Text: Yeliz Elze, Ragna Kühn, Johanna Gläser, Caroline Reinhold und Miriam Wessels
SOPHIE EMILIE SOWERBUTTS
Sophie Emilie Sowerbutts (née Schulze, *1820 † 1868) lebte mit ihrem Ehemann, dem Händler Simeon Sowerbutts, in Bremen an der Contrescarpe. Zusammen hatten die beiden vier Söhne. Mit dem 1966 nach Mexiko ausgewanderten Sohn William unterhielt Sophie Sowerbutts einen Briefverkehr, in dem sie sich als fürsorgliche und besorgte Mutter ihrer Söhne zeigt, aber auch deutlich über das politische Geschehen berichtet und ihre Meinung zu vertreten weiß.
Text: Birte Buchholz, Ole Seuberlich