Unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Althaus und Prof. Dr. Elisabeth Lienert (Germanistik / Literaturwissenschaft) startet dieses DFG-Projekt zum Jahreswechsel 2021/2022. Es bezieht sich auf Fügungsprobleme der Narration in der Epochenschwelle zwischen Mittelalter und Neuzeit. Damit reißt es eine historische Perspektive für Fragestellungen des WOC-Komplexes auf. Das Projekt untersucht die Romanprosa und die kleine Prosa des 15./16. Jahrhunderts, um daran Konkurrenzen in der Wissensgeschichte der Frühen Neuzeit freizulegen: die Konkurrenz von zielorientiertem und fallbezogenem Erzählen, Normbewusstsein und Erfahrung, planerischem und situationsklugem Verhalten. In den Texten ist über das Richtige oftmals ebenso gut nach pragmatischen wie nach ethischen Kriterien zu entscheiden. Ein Mangel an Beständigkeit (als seit der Antike gepredigter Tugend) ist genauso problematisch wie ein Mangel an Flexibilität. Die epistemische Differenz von großer Perspektive und nächstem Besten, letzten Wahrheiten und Gebot der Stunde sorgt für Erzählbrüche. Diese Heterogenität der frühen deutschen Prosa treibt den frühneuzeitlichen Roman in Deutschland aus der Adaption europäischer Muster hervor.

Schreibszene im zentral untersuchten Romankonvolut „Buch der Liebe“ (1587), wiederholt zur Illustration eingesetzter Holschnitt (fol. 12r u.ö). UB Basel. URL: http://dx.doi.org/10.3931/e-rara-21652.