DATENPOLITIKEN UND AUTORITARISMUS: DIGITALE VERFLECHTUNGEN UND DEMOKRATISCHE (UN-)MÖGLICHKEITEN
UNTER DER LEITUNG VON DR. NURHAK POLAT BEGINNT AM 01. JANUAR 2022 EIN NEUES FORSCHUNGSPROJEKT ZU DATENPOLITIKEN UND AUTORITARISMUS.
Techno-digitale Gegenwarten sind voller Spannungsverhältnisse und Widersprüche. Diese sind durch ‚verführerische’ Potentiale digitaler Technologien für Demokratien und zugleich durch einen beunruhigenden Kontrollverlust gekennzeichnet. Die digitalen Datentechnologien – Tracking-Apps, Kameras, Sensor- und Erkennungstechnologien, GPS-gestützte Lokalisierungen und Sozial- und Wissensmedien sowie die Konvergenz von Künstlicher Intelligenz mit neuen Analyseverfahren von Big-Data – werden gegenwärtig nicht nur als Optionen für die Gewinnung und die Neuverbindungen aller möglichen Daten, sondern auch in ihrem dystopischen Potential als Werkzeuge autoritärer Machtausübung diskutiert. Angesichts zunehmender anti-demokratischer Wenden in europäischen Ländern und weltweit stellt sich also die Frage nach den Konsequenzen digitaler Daten und Datenpolitiken für Demokratie, Rechtsstaat sowie individuelle und kollektive Rechte und Freiheiten mit neuer Dringlichkeit. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die fließenden Übergänge zwischen autoritären und nicht-autoritären Regierungsformen.
Gerade in autoritären Kontexten manifestieren sich neue Formen digitaler Regierungsmacht, die durch neue datenintensive Infrastrukturen vermittelt sind. Die rechtspopulistischen und autoritären Regierungen der Gegenwart setzen nicht nur auf nationalistisch-rassistische und populistische Kakophonien und alte Ressentiments in neuen digitalen Räumen. Sie greifen zunehmend auch auf die digital verflochtenen Werkzeuge und Möglichkeiten zurück, wenn sie parlamentarische und demokratische Strukturen vorsätzlich und auf demokratischem Wege demontieren bzw. demokratische (Un-)Möglichkeiten zu ihren Gunsten verändern.
Dieses Projekt begibt sich ethnographisch auf die Spur neuartiger Verflechtungen digitaler Technologien und ihrer Alltagsauswirkungen im Kontext des Autoritarismus. Es erkundet ihre Konsequenzen für die vielfältig verflochtenen Welten, die durch eine schleichende Aushöhlung demokratischer Möglichkeitsfelder, politische Unberechenbarkeiten und Instabilitäten sowie auch konkurrierende Visionen über (digital-)politische Gegenwart und Zukünfte geprägt sind.
Wie und auf welche Art und Weise digitale Technologien und Infrastrukturen auf Alltag und Politik treffen, steht entsprechend im Zentrum dieses Forschungsvorhabens. Was sind die Auswirkungen auf Aushandlungen des Politischen in Konstellationen, die von Überwachung, Repression und Willkür sowie einer strategischen Unberechenbarkeit von Regierungshandeln geprägt sind? Wie erleben Menschen die digital verflochtenen Welten demokratischer (Un-)Möglichkeiten, und wie handeln sie in ihnen? Welche Möglichkeiten und Handlungsräume eröffnen digitale Technologien – deren Ausweitung durch die Covid-19-Krise noch einmal intensiviert wurde – auch für die Stärkung partizipativer und demokratischer Prozesse und für Widerstand?
Ziel ist es somit, autoritäre Geflechte in den Blick zu nehmen und die Zusammenhänge zwischen der beschleunigten Digitalisierung und den datenpolitischen Praktiken zeitgenössischer Autoritarismen zu erkunden.
Das Forschungsprojekt wird im Rahmen des Sonderprogramms des Landes Bremen „Gesellschaft und Individuum im digitalen Wandel – Folgen und Gestaltung der digitalen Transformation“ aus dem Bremen-Fonds gefördert. Es zielt darauf ab, während der Förderphase weitere Drittmittel einzuwerben und ein größeres Verbundforschungsprojekt zu entwickeln.
Dr. Nurhak Polat
FB 9, Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaft, SFG 4260
Telefon: +49 (0)421 218 67645
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